Ein Jahr Reform des UVG - eine Zwischenbilanz

Durch die Reform des UVG wurden vor allem die Begrenzung der Leistungsdauer auf höchstens 72 Monate aufgehoben und der Unterhaltsvorschuss für Kinder zwischen dem vollendeten 12. und dem vollendeten 18. Lebensjahr eingeführt, der an besondere Voraussetzungen geknüpft ist. Weitere wesentliche Änderungen betrafen die Durchsetzung der nach § 7 UVG auf das Land übergegangenen Unterhaltsansprüche (§§ 7 V, 7a UVG) und die Finanzierung des Unterhaltsvorschusses zwischen dem Bund und den Ländern.

Keine Pflicht des Gesetzgebers zur Einführung des paritätischen Wechselmodells

GG Art. 6 II 1, BGB § 1671 II 1 Nr. 2


1. Es besteht keine gesetzgeberische Pflicht, getrennt lebenden Eltern eine paritätische Betreuung als Regel vorzugeben.


2. Hierzu steht nicht in Widerspruch, dass der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich festgestellt hat, dass ein paritätisches Wechselmodell in Gestalt einer Umgangsregelung auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann.


Keine Verpflichtung der Eltern zur Finanzierung zweiter Berufsausbildung


BGB §§ 1601, § 1610 II BAföG §§ 36, 37 I S. 1


Haben die Eltern ihrem Kind eine angemessene Ausbildung finanziert, welche seinen Begabungen und Neigungen entspricht, und findet das Kind in diesem erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle, sind die Eltern auch bei guter wirtschaftlihcer Lage grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind eine weitere Berufsausbildung zu gewähren.

OLG Hamm, Beschluss vom 15.05.2018 - 7 UF 18/18



Übertragung der Entscheidungsbefugnis über eine Namensänderung des Kindes nur, wenn es das Kindeswohl gebietet


FamFG § 26


Beantragt ein Elternteil gem. § 1628 BGB die Übertragung der Entscheidungsbefugnis über einen Antrag auf Namensänderung des Kindes gem. §§ 2, 3 NamÄndG, ist dem Antrag nicht bereits dann zu entsprechen, wenn die Namensänderung des Kindeswohl dient. Eine Erforderlich der Namensänderung liegt vielmehr erst vor, wenn das Wohl des Kindes die Änderung des Familiennamens auch bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet.


Das Kindeswohl gebietet die Namensänderung, wenn durch die Beibehaltung des Namens schwerwiegende Nachteile für das Kind zu gewärtigen sind oder die Namensänderung für das Kind solche Vorteile mit sih bringt, dass verständigerweise die Aufrechterhaltung des Namensbandes zum anderen Elternteil nicht zumutbar ersscheint.

BGH, Beschluss vom 9.11.2016 - XII ZB 298/15 (OLG Oldenburg, Beschluss vom 13.8.2014 - 13 UF 76/14)


Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsschuldners zur Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit bei Erwerbsunfähigkeitsrente

SGB IV § 43 II 1 Nr. 1,2, § 96 a II Nr. 2 BGB § 1603 I, II 1, 3, III SGB III § 138 III 1, V Nr. 1 SGB II § 8 I SGB XII § 41 III SGB XI § 13 VI Nr. 1 ZPO § 139


1. Zum Umfang einer Erwerbsobliegenheit des Elternteils, der eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht.


2. Den Unterhaltsschuldner trifft auch bei Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung die Erwerbsobliegenheit (§ 1603 I BGB) zur Ausübung einer Geringverdienertätigkeit (§ 8 I Nr. 1 SGB IV).


3. Der Unterhaltsschuldner bleibt auch bei Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit (§ 1603 I BGB) zur Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung darlegungs- und beweisbelastet.


4. Pflegetätigkeiten des Unterhaltsschuldners für dessen Eltern entbinden ihn nicht von der WÉrwerbsobliegenheit zur Sicherung des Unterhalts seiner Kinder.


5. Zur Beurteilung, inwieweit der betreuende Elternteil als Weiterer unterhaltspflichtiger Verwandter nach § BGB § 1603 II 3 heranzuziehen ist, sind neben dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen auch seine Betreuungsleistung zu berücksichtigen.

BGH, Beschluss vom 9.11.2016 - XII ZB 227/15 (OLG Brandenburg)


Unzulässiges Herausgabeverlangen eines Ehegatten während der Trennungszeit

BGH, Beschluss vom 28.09.2016 - XII ZB 487/15 (OLG München)


1. Während der Trennungszeit ist der auf § 985 BGB gestützte Antrag eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe derEhewohnung unzulässig (im Anschluss an BGHZ 67, 217 = NJW 1977, 43 und BGHZ 71, 216 = Fam RZ 1978, 496).


2. Die Ehewohnung behält diese Eigenschaft während der gesamten Trennungszeit.


3. Der Eigentümer-Ehegatte, der dem anderen Ehegatten die Ehewohnung im Sinne des § 1361 b IV BGB überlassen hat, kann bei wesentlicher Veränderung der zugrundeliegenden Umstände eine Änderung der Überlassungsregelung gem. § 1361 B I BGB im Ehewohnungsverfahren verfolgen.

BGB § 985; FamFG § 200


BGH: Umgangsrecht des biologischen Vaters - Informations- und Anhörungspflicht


BGB § 1686a I Nr. 1; FamFG §§ 159 II, 167 a; GG Art. 6 I, II; EMRK Art. 8


1. Allein der Umstand, dass sich die rechtlichen Eltern beharrlich weigern, einen Umgang des Kindes mit seinem leiblichen Vater zuzulassen, genügt nicht, um den entsprechenden Antrag gem. § 1686 a I Nr. 1 BGB zurückzuweisen.

2. Ist einziger Grund für das Scheitern des Umgangs die ablehnende Haltung der rechtlichen Eltern und die damit einhergehende Befürchtung, dass diese mit einer Umgangsregelung psychisch überfordert wären und dadurch mittelbar das Kndeswohl beeinträchtigt wäre, sind strengere Anforderungen an die ensprechenden Feststellungen zu stellen.

3. Auch im Verfahren nach § 1686 a BGB hat das Gericht das Kind grundsätzlich persönlich anzuhören.

4. Vor einer Anhörung bzw. einer etwaigen Begutachtung ist das Kind bei entsprechender Reife grundsätzlich über seine wahre Abstammung zu unterrichten, sofern ein Umgang nicht bereits aus anderen, nicht unmittelbar das Kind betreffenden Gründen ausscheidet. (Leitsätze des Gerichts)

BGH, Beschluss vom 5.10.2016 - XII ZB 280/15, BeckRS 2016, 18892 (OLG Karlsruhe)


BGH: Amtshaftungsansprüche von Eltern wegen nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellter Kinderbetreuungsplätze

BGB § 839 I 1; GG Art. 34; SGB VIII § 24 II (F: 1.8.2013)


1. Der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe verletzt seine Amtspflicht, wenn er einem gem. § 24 II SGB VIII (in der ab dem 1.8.2013 geltenden Fassung) anspruchsberechtigten Kind trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs keinen Betreuungsplatz zur  Verfügung stellt. Für das Verschulden des Amtsträgers kommt dem Geschädigten ein Beweis des ersten Anscheins zugute.

2. In den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht fällt auch der Verdienstausfallschaden, den Eltern dadurch erleiden, dass ihr Kind entgegen § 24 II SGB VIII keinen Betreuungsplatz erhält.

BGH, Urteil vom 20.10.2016 - III ZR 278/15, BeckRS 2016, 19369 (OLG Dresden)


BGH: Kindeswohlprüfung bei Entscheidung über die Übertragung der gemeinsamen Sorge

BGB § 1626 a II; FamFG §§ 155a, 159


1. Auch bei der "negativen" Kindeswohlprüfung nach § 1626 a II 1 BGB ist vorrangiger Maßstab für die Entscheidung das Kindeswohl. Notwendig ist die umfassende Abwägung aller für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände. Dafür gelten die zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 I 2 Nr. 2 BGB entwickelten Grundsätze.


2. Erst wenn sich nach erschöpfender Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht, ergibt sich aus der negativen Formulierung der Kindeswohlprüfung die (objektive) Feststellungslast dahin, dass im Zweifelsfall die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam auszusprechen ist.


3. Gründe, die der gemeinsamen elterlichen Sorge im Sinne von § 1626 a II 2 BGB entgegenstehen können, sind bereits dann gegeben, wenn sich aus den dem Gericht dargelegten oder sonst ersichtlichen konrekten tatsächlichen  Anhaltspunkten die Möglichkeit ergibt, dass die gemeinsame elterliche Sorge nicht mit dem Kindeswohl vereinbar ist. Unbeachtlich sind dagegen Umstände, die keinen Bezug zum konkreten Fall oder dem Wohl des Kindes aufweisen.


BGH: Beschluss vom 06.07.2016 - XII ZB 61/16

Der BGH hat sich mit den Anforderungen befasst, die eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen erfüllen müssen. Die Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthalte für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Eine Tochter setzt sich deswegen nicht über den Willen ihrer kranken Mutter hinweg, wenn sie entscheidet, ihre Ernährung über eine Magensonde fortsetzen zu lassen.


OLG Stuttgart: Übertragung des Entscheidungsrechts betreffend religiöse Kindererziehung

OLG Stuttgart, Beschluss vom 24.02.2016 - 17 UF 292/15, BeckRS 2016, 10159

BGB  §§ 1628, 1697 A; RelKErzG § 5


1. Bei Entscheidungen nach § 1628 BGB über die religiöse Kindererziehung (z.B. Taufe, Kommunion usw) sind alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen, wobei das Kindeswohl an vorderster Stelle steht. Es handelt sich hierbei um einen höchstpersönlichen Lebensbereich des Kindes, in dem der tatsächliche Wille auch jüngerer Kinder schon deshalb in besonderer Weise berücksichtigt werden muss.

2. Dass das Kind nach § 5 RelKErzG mit Vollendung des 14. Lebensjahres selbst über seine Regligionszugehörigkeit entscheiden kann, ändert nichts an der Notwendigkeit einer umfassenden und auf den Einzelfall bezogenen Kindeswohlprüfung und führt nicht dazu, dass Anträge nach § 1628 BGB, die die religiöse Erziehung jüngerer Kinder betreffen, bereits aus diesem Grund in der Regel abzulehnen wären.


OLG Brandenburg: Vorrang der Umgangsbestimmung durch die Eltern

OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.12.2015 - 13 UF 186/15, BeckRS 2016, 06870

BGB §§ 1632, 1666, 1685


1. Gegenüber Großeltern dürfen die Eltern den Umgang mit dem Kind nur dann nicht verbieten, wenn positiv festgestellt werden kann, dass er dem Kindeswohl dient.

2. Das Gericht, bei dem die Eltern die zwangsweise Durchsetzung ihrer Umgangsbestimmung beantragen können (§1632 III BGB), prüft diese Bestimmung nicht in allen Einzelheiten nach. Halten die Eltern die gesetzlichen Grenzen ihrer Entscheidungsbefugnis gegenüber Kind und Dritten ein und treffen sie eine Entscheidung innerhalb eines nachvollziehbar und verständig ausgeübten Ermessensspielraums, so unterstützt sie das Gericht im Streit mit Dritten durch die Anordnung hoheitlichen Zwangs.



BGH: Beginn der Verfährungsfrist für Rückforderungsansprüche der Schwiegereltern

Beschluss vom 16.12.2015 - XII ZB 516/14

BGB §§ 195, 199 I, 313 I, 516


1. Der Rückforderungsanspruch, der Schwiegereltern im Fall einer Schwiegerelternschenkung nach Scheitern der Ehe gegenüber dem Schwiegerkind wegen Störung der Geschäftsgrundlage zustehen kann, unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, es sei denn, der Anspruch ist auf Vertragsanpassung nach einer Grundstücksschenkung gerichtet, für den die Verjährungsfrist nach § 196 BGB gilt.

2. Da das Scheitern der Ehe regelmäßig spätestens mit der Zustellung des Scheidungsantrags zum Ausdruck kommt, liegt die für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis der Schwiegereltern vom Scheitern der Ehe ihres Kindes jedenfalls dann vor, wenn sie von der Zustellung des Scheidungsantrags Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen.

3. Der Beginn der Verjährungsfrist für Rückforderungsansprüche der Schwiegereltern war nicht bis zur Veröffentlichung der Senatsentscheidung vom 3.2.2010 hinausgeschoben.



BGH: Ausgleichsansprüche nach Scheitern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Urteil vom 8.5.2013 - XII ZR 132/12

BGB §§ 313, 812 I 2


Nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kommen Ausgleichsansprüche wegen finanzieller Zuwendung (hier: Darlehensraten) des einen Partners für den Erwerb und Umbau eines im Alleineigentum des anderen Partners stehenden Wohnhauses grundsätzlich insoweit nicht in Betracht als die Leistungen nicht deutlich über die Miete hinausgehen, die für vergleichbaren Wohnraum aufzuwenden wäre.